Luftfahrtrecht – Grundlagen
Das Luftfahrtrecht – auch Luftrecht oder Luftverkehrsrecht genannt – umfasst alle rechtlichen Regelungen, die den sicheren, geordneten und umweltverträglichen Betrieb der Luftfahrt ermöglichen. Es verbindet internationales Recht, europäisches Luftrecht und nationales Recht der einzelnen Staaten.
Für Piloten, Flugschulen und Luftfahrtunternehmen ist ein grundlegendes Verständnis der wichtigsten Rechtsquellen unverzichtbar, da viele Entscheidungen im Flugbetrieb – von der Flugplanung bis zur Haftung bei Zwischenfällen – auf diesen Regelungen beruhen.
Internationales Luftfahrtrecht
Das internationale Luftfahrtrecht regelt den grenzüberschreitenden Luftverkehr und die grundlegenden Rechte und Pflichten der Staaten im Luftraum. Es schafft einheitliche Standards, damit Luftfahrzeuge sicher und berechenbar weltweit eingesetzt werden können.
Chicagoer Abkommen und ICAO
Das Chicagoer Abkommen von 1944 ist das wichtigste Grunddokument des internationalen Zivilluftverkehrs. Es regelt unter anderem:
- die Souveränität jedes Staates über seinen Luftraum,
- die Grundlagen für den internationalen Linienverkehr,
- die Registrierung und Staatszugehörigkeit von Luftfahrzeugen,
- Grundsätze zur Flugsicherheit, Flugsicherung und Lufttüchtigkeit.
Auf Basis des Chicagoer Abkommens wurde die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) gegründet. Sie erarbeitet weltweit gültige Standards and Recommended Practices (SARPs), die in zahlreichen Anhängen (Annexes) zum Abkommen veröffentlicht sind, z. B.:
- Annex 1 – Lizenzen für das fliegende Personal,
- Annex 2 – Verkehrsregeln (Rules of the Air),
- Annex 6 – Betrieb von Luftfahrzeugen,
- Annex 11 – Flugsicherung (Air Traffic Services),
- Annex 14 – Flugplätze.
Freiheiten der Luft
Die sogenannten Freiheiten der Luft sind Verkehrsrechte, die Staaten sich gegenseitig vertraglich einräumen. Dazu gehören z. B.:
- 1. Freiheit: das Überfliegen des Staatsgebiets eines anderen Staates ohne Landung,
- 2. Freiheit: technische Landungen (z. B. Tanken, Wartung),
- 3./4. Freiheit: Passagiere und Fracht von und zu einem anderen Staat befördern,
- weitere Freiheiten: komplexere Verkehrsrechte, z. B. zwischen Drittstaaten.
Diese Rechte werden meist über bilaterale Luftverkehrsabkommen zwischen Staaten festgelegt. Die vereinbarten Rechte werden anschließend den designierten Luftfahrtunternehmen zur wirtschaftlichen Nutzung überlassen.
Haftungsabkommen im internationalen Luftverkehr
Für die Haftung gegenüber Passagieren und Fracht galten lange Zeit Regelungen des Warschauer Abkommens. Heute ist überwiegend das Montrealer Übereinkommen von 1999 maßgeblich. Es regelt u. a.:
- Haftung bei Tod oder Körperverletzung von Fluggästen,
- Haftung für Gepäck- und Frachtschäden,
- Haftung bei Verspätungen,
- Haftungshöchstgrenzen und Beweislastfragen.
Europäische Dimension (Überblick)
Innerhalb Europas spielt zusätzlich das EU- und EASA-Recht eine wichtige Rolle. Es sorgt u. a. für:
- harmonisierte Pilotenlizenzen (z. B. LAPL, PPL) nach EU/EASA-Standards,
- gemeinsame Sicherheits- und Wartungsvorschriften (z. B. Part-FCL, Part-OPS),
- einheitliche Betriebsregeln im europäischen Luftraum.
Nationales Luftfahrtrecht (Beispiel Deutschland)
Geht es um Fragen der Lufthoheit, die Organisation des Luftverkehrs im eigenen Staat, die Zulassung von Luftfahrzeugen und Piloten oder die Untersuchung von Unfällen, greift das nationale Luftfahrtrecht. Jedes Land hat eigene Gesetze und Verordnungen, die jedoch im Rahmen internationaler Vereinbarungen stehen.
Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
In Deutschland bildet das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) den Kern des nationalen Luftfahrtrechts. Es regelt unter anderem:
- die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge,
- die Zuständigkeiten von Behörden (z. B. Luftfahrt-Bundesamt, Landesluftfahrtbehörden),
- die Zulassung von Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugen,
- Bestimmungen zu Flugplätzen und Flugplätzenutzung,
- Grundlagen der Haftung und Versicherungspflichten im Luftverkehr.
Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) und Betriebsregeln
Die Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) konkretisiert viele der im LuftVG angelegten Regeln. Sie enthält u. a.:
- Verkehrsregeln im deutschen Luftraum,
- Vorgaben zu Mindestflughöhen und Sichtflugbedingungen,
- Regelungen zu Kontrollzonen, Luftraumstrukturen und Meldepunkten,
- Vorschriften zum Verhalten auf dem Flugplatz (Rollverkehr, Starten und Landen).
Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG)
Das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) dient vor allem der Gefahrenabwehr im Luftverkehr. Es regelt unter anderem:
- Sicherheitskontrollen von Passagieren und Gepäck,
- Zugangskontrollen zu sicherheitsrelevanten Bereichen auf Flughäfen,
- zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen bei erhöhter Gefährdungslage.
Flugunfall-Untersuchungsgesetz (FlUUG)
Das Flugunfall-Untersuchungsgesetz (FlUUG) regelt die Untersuchung von Unfällen und Störungen im Betrieb ziviler Luftfahrzeuge. Ziel der Untersuchungen ist nicht die Schuldzuweisung, sondern die Erhöhung der Flugsicherheit durch das Erkennen von Ursachen und das Ableiten von Maßnahmen.
In Deutschland ist hierfür vor allem die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) zuständig. Ihre Berichte sind eine wichtige Grundlage für Sicherheitsverbesserungen.
Weitere wichtige Regelwerke
Zusätzlich spielen zahlreiche weitere Verordnungen eine Rolle, z. B.:
- Vorschriften zur Pilotenlizenzierung (in Verbindung mit EU/EASA-Recht),
- Regelungen zu Lärmschutz und Umweltschutz im Luftverkehr,
- Bestimmungen zur Registrierung und Kennzeichnung von Luftfahrzeugen.
Für Piloten ist wichtig zu verstehen, dass sich ihr tägliches Handeln aus einer Kombination von internationalem Recht, europäischem Luftrecht und nationalen Vorschriften zusammensetzt. Schulungen im Fach Luftrecht vermitteln daher immer die wichtigsten Zusammenhänge dieser Ebenen.